USS West Virginia (SSBN-736)

Die USS West Virginia (SSBN-736) ist ein ballistisches Atom-U-Boot der Ohio-Klasse der United States Navy. Als Teil der strategischen Nuklearstreitkräfte übernimmt es im stillen Dienst die dauerhafte Abschreckung durch landgestützte Interkontinentalraketen. Mit hochentwickelter Reaktortechnik, ausgeklügelter Sensorik und einer beeindruckenden Feuerkraft verkörpert die West Virginia das Rückgrat der maritimen Abschreckung.

Geschichte und Namensgebung

Auftrag, Kiellegung und Stapellauf

Der Bauvertrag für SSBN-736 wurde am 21. November 1983 an die Electric Boat Division von General Dynamics in Groton, Connecticut, vergeben. Am 24. Dezember 1987 erfolgte die Kiellegung, gefolgt vom Stapellauf am 14. Oktober 1989. Mit der Taufe durch Mrs. Erma Byrd, Ehefrau des Senatoren Robert C. Byrd aus West Virginia, wurde das Boot auf den Namen des 35. Bundesstaates getauft.

Indienststellung und erste Einsätze

Am 20. Oktober 1990 übernahm die Navy die West Virginia in Dienst. Heimathafen ist die Naval Submarine Base Kings Bay in Georgia. In den folgenden Jahren wechselten sich zwei Besatzungen – die „Blue Crew“ und die „Gold Crew“ – bei den Unterwasserpatrouillen ab und hielten so eine nahezu permanente Einsatzbereitschaft aufrecht.

Namensgeber und symbolische Bedeutung

West Virginia war das elfte von 18 Ohio-Klasse-SSBN und das dritte Schiff, das den Bundesstaat im Namen trägt. Das Motto „Montani Semper Liberi“ („Bergbewohner sind stets frei“) verweist auf die Bergbau- und Freiheitsgeschichte des Staates und spiegelt gleichzeitig die Rolle eines strategischen Bollwerks unter den Weltmeeren wider.

Technische Spezifikationen

Abmessungen und Antrieb

– Verdrängung: 16 764 t getaucht, 18 750 t aufgetaucht – Länge: 170 m – Breite: 13 m – Tiefgang: 12 m – Reaktoranlage: 1 × S8G Druckwasserreaktor (HEU 93,5 %) – Turbinenleistung: 2 × Getriebeturbinen – Hilfsantrieb: 1 × 325 PS Elektromotor – Wellen: 1 Schaft mit 60 000 shp (≈ 45 000 kW) – Höchstgeschwindigkeit: über 25 kn (≈ 46 km/h) – Testtiefe: über 240 m

Die Nuclear Steam Propulsion erlaubt unbegrenzte Einsatzdauer unter Wasser, nur die Lebensmittelvorräte begrenzen die Patrouillenzeit. Dank hydrodynamisch optimiertem Rumpf bleibt das Boot extrem leise und nahezu unsichtbar für feindliche Sonarsysteme.

Bewaffnung

– 24 × Trident II D-5 Langstrecken-Ballistikraketen – 4 × 533 mm Torpedorohre mit MK 48 Mod 7 Heavyweight Torpedos

Die Trident II D-5-Raketen verfügen über ein globales Einsatzspektrum und können nach internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen mit reduzierter Sprengkopfzahl ausgerüstet werden. Für Selbstverteidigung und Anti-Schiff-Aufgaben kommen die hochpräzisen MK 48-Torpedos zum Einsatz.

Sensorik und elektronische Kriegsführung

– AN/BQQ-5 Sonar‐System (Bow‐Sonar und Towed Array) – AN/BLQ-10 ESM/ELINT‐Suite – AN/WLR-8 Radarwarnempfänger – Maschinensteuerung mit automatischer Kurskorrektur

Das aus mehreren Frequenzbändern arbeitende Sonarpaket deckt aktive und passive U-Boot-Suche ab und ermöglicht frühzeitige Erkennung herannahender Mahlstrom- oder andere U-Boot-Typen. Elektronische Abwehrmaßnahmen schützen gegen feindliche Ortungs- und Lenksignale.

Besatzung und Leben an Bord

– Gesamtstärke: 155 Mann (15 Offiziere, 140 Unteroffiziere und Mannschaft) – Zwei Wechselbesatzungen („Blue“ & „Gold“) erlauben kontinuierlichen Einsatz – Unterkünfte: Einzel- und Doppelkabinen, Kombinierte Messe-, Fitness- und Erholungsräume – Medizinische Einrichtung: Bordhospital mit Notfall- und Intensivversorgung

Das enge Miteinander fördert Kameradschaft, trotzdem ermöglichen moderne Komfortbereiche Rückzug und Privatsphäre während langer Unterwasserpatrouillen.

Einsatzprofil

Strategische Patrouillen

Die Hauptaufgabe der West Virginia ist die stationäre Patrouille in geheimen Schifffahrtsrouten des Atlantiks. Durch ständigen Wechsel der Crews bleibt das Boot monatelang unbegrenzter Einsatzbereit. Die Trident-Raketen dienen als glaubwürdiges Gegenmittel gegen nukleare Angriffe von Gegnern und sichern die zweite Angriffslinie der US-Nuklearstrategie.

Überholungen und Refueling Overhaul

2010/11 unterzog sich SSBN-736 im Norfolk Navy Shipyard einer sogenannten Mid-Life Refueling and Overhaul (RROH). Dabei wurde der Reaktorkern ausgetauscht, Verschleißteile ersetzt und Systeme modernisiert. Dieser Eingriff verlängert die Einsatzfähigkeit um weitere 20 Jahre und stattet das Boot mit neuer Elektronik, verbesserter Akustikdämmung und Netzwerkintegration aus.

Modernisierung und Ausblick

Durch laufende Upgrades in Steuerungs- und Kommunikationssystemen sowie Anpassungen an künftige Abrüstungsprotokolle bleibt die USS West Virginia Teil einer flexiblen und dennoch mächtigen Nuklearflotte. Langfristig sichert sie, ergänzt um künftig präzisere Trident-Varianten und fortschrittliche Sonarsensoren, die US-Abschreckung im 21. Jahrhundert.

Fazit

Die USS West Virginia (SSBN-736) verkörpert auf und unter Wasser Höchstleistung aus Ingenieurskunst, Abschreckungspolitik und menschlichem Einsatzwillen. Mit über 30 Jahren Dienstzeit hat sie sich als stiller Wächter im Atlantik bewährt und stellt mit ihrer nuklearen Ladung eine zentrale Säule der maritimen Strategiedoktrin dar. Dank regelmäßiger Überholungen bleibt sie das Rückgrat der Ohio-Klasse und ein Symbol für die Bedeutung der maritimen Nuklearabschreckung.

Flickr - Official U.S. Navy Imagery - USS West Virginia off the coast of Georgia.