Tupolev ANT-40

Der Tupolev ANT-40, in sowjetischer Dienstbezeichnung als SB („Skorostnoj Bombardirovschik“ – Schnellbomber) bekannt, war eines der fortschrittlichsten Flugzeuge der 1930er-Jahre. Als erster in Serie gefertigter zweimotoriger Tiefdecker sowjetischer Konstruktion kombinierte er hohe Geschwindigkeit, große Reichweite und eine beachtliche Bombenzuladung. Dieses Muster prägte die Bombenflugzeugentwicklung in Europa und kämpfte in Konflikten vom Spanischen Bürgerkrieg bis zum Zweiten Weltkrieg. Im Folgenden betrachten wir Entwicklung, Aufbau, Varianten, Einsätze und alle wesentlichen technischen Daten des ANT-40.

Entwicklung und Prototypen

Designziele und Konzept

In den frühen 1930er-Jahren galt für die sowjetische Luftwaffe das Ziel, einen modernen Schnellbomber zu schaffen, der in feindlichem Luftraum kaum einzuholen ist. Der Chefkonstrukteur Andrej Tupolev setzte auf den leichten Strahl des Metallflugzeugbaus und experimentierte mit stromlinienförmigem Tiefdecker­layout, Ganzmetallbau und leistungsstarken Doppelsupercharged-Sternmotoren.

Erster Flug und Erprobung

Der Prototyp ANT-40 hob erstmals am 7. Oktober 1934 ab. Bereits der Erstentwurf erreichte 420 km/h in Nullhöhe und übertraf damit zeitgenössische Jagdflugzeuge. In der Erprobung folgten kleine Anpassungen: Vergrößerung der Leitwerks­flächen für bessere Richtungsstabilität, verstärkte Fahrwerksanlenkung und Modifikationen an Motorkühlsystem und Luftschrauben­blattwinkel.

Konstruktion und Aufbau

Rumpf und Tragwerk

Der Rumpf bestand aus einer geschweißten Leichtmetall­spantenstruktur mit duralumin­beplankter Außenhaut. Vier Passagier-ähnliche Längsträger bildeten das Rückgrat, in dessen vorderem Abschnitt Pilot und Navigator/Chefmechaniker saßen. Das mittlere Tragwerk war von NACA-Profilen geformt, besaß abgerundete Flügelspitzen und teilverschiebbare Landeklappen für kurze Start- und Landestrecken.

Fahrwerk und Ausrüstung

Das einziehbare Hauptfahrwerk verschwand nach hinten in tubusförmigen Nischen unter den Flügeln. Hydraulische Stoßdämpfer und robuste Gummipuffer ermöglichten rauhe Feldlandeplätze. Eine elektrische Bordkanone im Heck konnte bei Alarmstufe schnell aktiviert werden. Tanks im Flügelmittelteil boten genügend Treibstoff für Reichweiten über 2 000 km.

Bewaffnung und Panzerung

Die erste Serie war mit drei 7,62 mm-Maschinengewehren ausgestattet: ein waffenstarr montiertes vorne, eines hinter dem Cockpit auf einem Drehstand und eines im Heck als Verteidigung. Die Bomblast betrug bis zu 600 kg in Innen- oder Außenbehältern. Panzerplatten schützten die Besatzung nur minimal – spätere Versionen erhielten zusätzliche Panzerplatten im Cockpitbereich.

Technische Daten

Abmessungen und Gewichte

Spannweite: 21,69 m Flügelfläche: 60,14 m² Länge: 11,04 m Höhe: 4,26 m Leergewicht: 3 300 kg Maximales Abfluggewicht: 5 400 kg

Antrieb und Propeller

Motoren • Varianten SB-2M-100: 2 × Mikulin M-100, jeweils 860 PS • Varianten SB-2M-103: 2 × Mikulin M-103, jeweils 960 PS Propeller • Zwei Zweiblatt-Verstellpropeller von VISH-105, drehzahl- und stegverstellbar

Flugleistungen

Maximale Geschwindigkeit • 450 km/h in 4 000 m (SB-2M-103) Reisegeschwindigkeit • 350 km/h bei 3 000 m Dienstgipfelhöhe • 9 200 m Reichweite • 2 400 km mit Normallast • bis 3 000 km mit Zusatztanks Steigleistung • 7,5 m/s Stallgeschwindigkeit • 130 km/h (mit Landeklappen)

Bewaffnung und Nutzlast

Maschinengewehre • 1 × vorn starr montierte 7,62 mm SchKAS • 2 × flexible 7,62 mm DT am Rotationsstand und im Heck Bombenlast • 600 kg intern in drei Behältern • Optional bis zu 1 000 kg extern in Unterflügel-Haltern

Varianten

SB-2M-100 (Erstserie)

Ausgerüstet mit zwei M-100-Sternmotoren und Standardbewaffnung. Über 200 Exemplare dienten in der Roten Armee und bei Exportkunden.

SB-2M-103 (Weiterentwicklung)

Stärkere M-103-Triebwerke erhöhten Geschwindigkeit und Steigrate. Zusätzliche Kühlkanäle im Motor und verbesserte Propeller steigerten Zuverlässigkeit.

Exportversionen

• Kuat-YI (China): über 100 Lizenzbauten bei Zentraler Luftfahrzeugfabrik in Nanking • SB “80” (Spanien): modifiziert mit FIAT-Triebwerken und verstärkter Panzerung

Einsatzgeschichte

Spanischer Bürgerkrieg

Bereits 1936 wurde der ANT-40 an die Republikanische Luftwaffe geliefert. Seine hohe Geschwindigkeit übertraf Franco-sloane Jagdflugzeuge, spielte aber durch mangelhafte Waffendichte nur eine begrenzte Rolle.

Zweiter Weltkrieg

Im deutsch-sowjetischen Krieg zeichnete sich der SB vor allem in den ersten Monaten durch schnelle Tiefangriffe und Nachschubtransport aus. Ab 1941 wurde er jedoch schnell durch neuere und stärker gepanzerte Typen wie die Petljakow Pe-2 ersetzt.

Nachkriegszeit

Einige Exportmaschinen blieben bis in die 1950er Jahre im Dienst, bevor sie durch Strahlflugzeuge und modernere Turboprop-Bomber abgelöst wurden. In China baute man lizenzierte SB-Versionen teils bis 1949.

Restaurierung und Erhaltungsstatus

Museale Exponate

Weniger als ein Dutzend kompletter Rümpfe weltweit sind in Luftfahrtmuseen ausgestellt, zum Beispiel in Moskau-Monino und im chinesischen Aviation Museum of China.

Technische Herausforderungen

Viele originale Bauteile sind verschlissen oder durch Korrosion beschädigt. Restaurierungen erfordern aufwändige Neuanfertigungen von Tragflächenholmen, Cockpitglas und sternmotorischen Ersatzteilen.

Fazit

Der Tupolev ANT-40 ist ein Meilenstein sowjetischer Flugzeugentwicklung der Vorkriegszeit: schnell, weitreichend und auf die Anforderungen moderner Bombenflugzeuge ausgerichtet. Seine Variantenvielfalt und der Einsatz in mehreren Konflikten machen ihn zu einem faszinierenden Forschungsobjekt für Technik- und Militärhistoriker. Wer die Balance zwischen aggressiver Flugleistung und den Limitierungen der 1930er-Metallbauweise verstehen möchte, findet im ANT-40 ein faszinierendes Beispiel früher Tiefdecker-Ingenieurskunst.