Felixstowe F5L

Die Felixstowe F5L gilt als Meilenstein in der Geschichte der See- und Wasserflugzeuge. Entwickelt gegen Ende des Ersten Weltkriegs in enger Zusammenarbeit zwischen den britischen Seeflug-Experimentierstationen in Felixstowe und der US-amerikanischen Naval Aircraft Factory, verband sie robuste Konstruktion mit beeindruckender Reichweite. Ursprünglich als Militärflugboot konzipiert, setzte die F5L neue Maßstäbe in Sachen Zuverlässigkeit, Tragfähigkeit und Vielseitigkeit – Merkmale, die ihr bis heute Kultstatus unter Luftfahrtenthusiasten einbringen.

Historischer Hintergrund

Der Bedarf an leistungsfähigen Langstrecken-Patrouillenflugzeugen über dem Atlantik wuchs ab 1917 rapide. U-Boot-Gefahr und die Notwendigkeit, Konvois zu schützen, forderten ein Flugboot, das weit über die Gewässer operieren und ausreichend Treibstoff, Besatzung und Ausrüstung tragen konnte. Unter der Leitung von John Cyril Porte veredelte das britische Team das amerikanische Curtiss H-12-Design, bevor die Produktion in Philadelphia an der Naval Aircraft Factory hochgefahren wurde. So entstand die F5L, in der „L“ für den legendären Liberty-12-Motor steht.

Design und Konstruktion

Rumpf und Flügel

  • Rumpf: Monocoque-Holzbauweise mit wasserfest verleimten Sperrholzbeplankungen
  • Flügel: Doppeldecker-Konfiguration mit stabilen N-Struts und verspannten Holzgurten
  • Schwimmer: Zwei Außenflöße aus Sperrholz, optimiert für ruhigen Wasseranlauf

Die F5L punktete mit einem verstärkten Rumpf, der durch den Einsatz von Furnier anstelle von Stoffbeschichtungen erheblich widerstandsfähiger gegen salzhaltige Luft und Wellenschlag war.

Antrieb

  • 2 × Liberty 12A V-12-Benzinmotoren
  • Nennleistung: je 400 hp (≈ 298 kW)
  • Anordnung: Im N-Ständer-Mittenfeld zwischen den Flügeln montiert

Dank der kraftvollen Liberty-Motoren erreichte die F5L eine zuverlässige Reisegeschwindigkeit und konnte auch bei Teillast und widrigen Bedingungen souverän fliegen.

Bewaffnung

Obwohl primär für Aufklärungs- und Patrouillenflüge gedacht, war die F5L mit flexiblen Bewaffnungsoptionen ausgestattet:

  • 2 bis 4 Lewis-Maschinengewehre für die Abwehr von Jagdflugzeugen
  • Bombenlast bis zu 450 kg in Rumpf- oder Flügelträgern

Technische Spezifikationen

Abmessungen

  • Spannweite: 31,6 m
  • Länge: 15,04 m
  • Höhe: 5,72 m
  • Flügelfläche: 129,8 m²

Gewichte

  • Leergewicht: 3 955 kg
  • max. Startgewicht: 6 508 kg

Leistung und Reichweite

  • Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
  • Reisegeschwindigkeit: 140 km/h
  • Stundenzahl: bis zu 12 Stunden Dauerflug
  • Einsatzreichweite: 1 335 km

Besatzung und Komfort

  • Standardbesatzung: 2 Piloten
  • Beobachter/Radiooperator: 1–2
  • Truppen-/Passagierkapazität (zivile Version): bis zu 14 Personen
  • Ausgestattet mit Badeplattform und zeremoniellen Sitzgelegenheiten in Aeromarine-Umrüstung

Bewaffnung

  • Flügelstationen für Bomben
  • Offene Türmchen: Vorder- und Rückseite für MG-Bediener

Einsatz und Betriebsverlauf

Militärischer Einsatz

Im November 1918 trat die F5L ihren Dienst bei der US Navy an und übernahm rasch Patrouillenflüge entlang der US-Ostküste. Ihre Fähigkeit, kilometerweit über dem Ozean zu kreisen, trug maßgeblich zur Abschreckung feindlicher U-Boote bei. Bis zum Abzug 1928 blieb sie das Rückgrat der amerikanischen Seeaufklärung.

Ziviler Einsatz

Nach dem Krieg wandelte die Aeromarine Plane and Motor Company rund 40 Maschinen in luxuriöse Verkehrsflugboote um (Typ Aeromarine 75). Beliebt auf Routen von Key West nach Kuba, bot die F5L erstmals internationalen Luftpostverkehr zwischen New York und Atlantic City an und glänzte 1921 auf der Chicagoer „Pageant of Progress“ mit der ersten In-Flight-Movie-Vorführung.

Varianten und Nachfolger

  • Curtiss F5L: US-amerikanische Lizenzproduktion bei Curtiss und Canadian Aeroplanes Ltd.
  • Aeromarine 75: Zivile Luxuskonvertierung mit Panoramafenstern und Postfachträgersystem
  • PN-Baureihe: 1920er-Folgemodelle mit Metallrumpf und verbesserten Motoren

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Nur noch wenige Rümpfe und Modelle sind erhalten. Einige Fragmente schlummern in US-Militärmuseen, während in Europa einzelne Nachbauten in Flugzeugrestaurierungswerken rekonstruiert werden. Diese Projekte würdigen nicht nur die technische Raffinesse, sondern geben einen Einblick in die Pionierzeit der Über- und Seeluftfahrt.

Bedeutung und Erbe

Die Felixstowe F5L verband robuste Bauweise mit hoher Reichweite – Merkmale, die die Entwicklung moderner Seeaufklärer prägten. Als Schnittstelle zwischen Pionierarbeit und Serienfertigung leistete sie Pionierarbeit für alle späteren Flugboot- und Amphibienflugzeugklassen. Ihr Erbe lebt in heutigen maritimen Patrouillenflugzeugen weiter, die ähnliche Anforderungen an Reichweite, Nutzlast und Langlebigkeit stellen.

Ausblick

Obwohl Flugboote heute eine Nischenrolle spielen, inspiriert die F5L noch immer moderne Konzepte für unwegsame Einsatzgebiete und Expeditionsluftfahrt. Die Weiterentwicklung leichter Composite-Hüllen und Hybridantriebe könnte den Geist der Felixstowe F5L neu erwecken – und Flugboote eines Tages zurück in den Dienst holen, sei es für Umweltschutzpatrouillen, abgelegene Forschung oder luxuriöse maritime Charterflüge.

 

Aeromarine 75 Columbus flying over Bimini (NASM-SI-71-1-72) (cropped, grayscale, contrast)