Avia S-199

Die Avia S-199 zählt zu den kuriosesten Nachkriegsjägern: In Prag gefertigt aus übrig gebliebenen Bauteilen des Bf 109G und gepaart mit einem fremden Triebwerk, entstand ein Flugzeug mit eigenwilligem Charakter. Zwischen 1947 und 1950 stellte die neu gegründete Tschechoslowakische Luftfahrtindustrie rund 550 Exemplare her, die in mehreren Luftstreitkräften ihre Kreise zogen. Trotz zahlreicher Eigenheiten spielt die S-199 eine zentrale Rolle in der frühen israelischen Luftwaffe und gilt heute als begehrtes Sammlerstück historischer Flugzeugrestaurierungen.

Historischer Hintergrund

Entwicklung in Prag

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs befanden sich in den Prager Werken des vormals deutschen Flugzeugherstellers Junkers und in der angeschlossenen Reparaturstätte noch zahllose Bauteile für die Messerschmitt Bf 109G. Die neue staatliche Avia-Werksgesellschaft übernahm diese Reste und suchte nach einer schnellen Lösung für einen eigenen Jagdjäger, um die Tschechoslowakei zu rearmieren.

Integration des Junkers-Triebwerks

Da die originalen Daimler-Benz-109-Motoren nicht zur Verfügung standen, ersetzte man sie durch luftgekühlte Jumo 211-Aggregatblöcke aus Bomberbeständen. Dieser Umbau erforderte umfangreiche Modifikationen an Rumpfunterbau, Motorgondeln und Kühlsystem. Das Ergebnis war eine Maschine, die äußerlich an die Bf 109 erinnerte, deren Flugeigenschaften jedoch deutlich abwichen.

Konstruktion und Technik

Rumpf und Tragwerk

Der Rumpf entsprang im Wesentlichen der Bf 109G-Gitterrohrkonstruktion mit Metallschalen und Stoffbespannung in den Leitwerksbereichen. Die Tragflächen blieben unverändert, erhielten jedoch vergrößerte Kühllufteinlässe an den Flügelwurzeln. Landeklappen und Querruder funktionierten serienmäßig, allerdings reagierten sie durch das höhere Gewicht der Triebwerksumrüstung etwas träger.

Triebwerk und Antrieb

Im Gegensatz zur Bf 109G mit ihrem V12-Wassergekühlten DB-Motor war die S-199 mit einem luftgekühlten Jumo 211F/B-Sternmotor bestückt. Die Leistung lag bei rund 1 340 PS, verteilt auf neun Zylinder. Zwei Propellerblätter mit fester Steigung schwankten je nach Fabrikat im Durchmesser zwischen 3,05 und 3,20 Metern.

Bewaffnung

Die Avia S-199 kombinierte ein Trägerlaufwerk aus der Bf 109G mit einer schweren Bordkanone aus Junkers-212-Material: Ein 20 mm MG 151/20 im Motorrumpf mit 200 Schuss und zwei 7,92 mm MG 17 je 500 Schuss in den Tragflächen gaben ihr ein ungewohntes Feuerbild. Zwei Bombenschlösser konnten je 250 kg Last unter den Tragflächen transportieren.

Technische Parameter

Abmessungen

Spannweite: 9,92 m Rumpflänge: 9,70 m Höhe: 2,60 m Flügelfläche: 16,19 m²

Gewichte und Leistungsdaten

Leermasse: 2 820 kg Maximales Startgewicht: 3 760 kg Flächenbelastung (maximal): 232 kg/m²

Motor und Treibstoff

Triebwerk: 1 × Junkers Jumo 211F/B Nennleistung: 1 340 PS bei 2 600 U/min Propeller: Zweiblatt-Festpropeller Tankinhalt: 370 l Normalbenzin, optional Zusatztanks unter Flügeln

Bewaffnungslast

Kanonen: 1 × 20 mm MG 151/20 (200 Schuss) Maschinengewehre: 2 × 7,92 mm MG 17 (je 500 Schuss) Bomben: 2 × 250 kg unter Flügelmittelstück

Flugleistungen und Handling

Start, Steigleistung und Reiseflug

Maximale Geschwindigkeit in Bodennähe: 505 km/h Dienstgipfelhöhe: 10 000 m Steigleistung: 12 m/s Reichweite: 800 km Standard, 1 200 km mit Zusatztanks

Manövrierbarkeit und Landungen

Dank hohem Flächenbelastungsspektrum war die S-199 nicht als Drehzahlwunder bekannt. Kurvenflüge erforderten deutliche Querruderimpulse, das robuste Fahrwerk erlaubte schwierige Feldstrip-Landungen, zog jedoch längere Rollstrecken nach sich. Landeklappen brachten eine Stallgeschwindigkeit von rund 240 km/h.

Einsatzgeschichte

Dienst in der Tschechoslowakei

Ab 1947 erreichten die ersten Staffeln tschechoslowakischer Jägerkräfte das Flugfeld Pilsen–Lochotín. Schnell zeigte sich, dass die schwere S-199 nur begrenzt als Luftüberlegenheitsjäger taugte, sie diente stattdessen als Übergangsmodell, bis neue sowjetische MiG-15 eintrafen.

Operation Velvetta und Einsatz in Israel

Die Avia S-199 erlangte größtmögliche Bekanntheit, als 1948 im Rahmen der Operation Velvetta Dutzende Maschinen in die neugegründete israelische Luftwaffe überführt wurden. Hier leisteten sie in den ersten Luftkämpfen gegen ägyptische Flugzeuge entscheidende Dienste und begründeten die später so stolze Tradition der IAF.

Restaurierung und Erhaltungsstatus

Wenige Originalexemplare der S-199 sind heute erhalten. In Museen in Prag, Israel und Kalifornien stehen statische Ausstellungsstücke. Einzige flugfähige Nachbauten basieren auf sorgfältiger Nachfertigung von Motorteilen, Rohren und Rumpfschalen. Der Aufwand für eine betriebsfähige Maschine erreicht oft das Zehnfache eines klassischen Bf 109-Restaurats.

Fazit

Die Avia S-199 ist ein Produkt ihrer Zeit: ein notgedrungener Kompromiss aus übrig gebliebenen Komponenten und improvisierter Technik. Ihre fliegerischen Meriten treten hinter dem historischen und emotionalen Wert zurück. Dennoch fasziniert ihre Geschichte, ihre Eigenheiten und ihr Beitrag zur Frühphase moderner Luftstreitkräfte bis heute Luftfahrtfans und Historiker gleichermaßen.

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